Digitalisierung für Kinder oder
Digitalisierung der Kinder?

Wie wir unsere Kinder schützen

@ lucky_pics | vecteezy.com

Für uns Eltern ist es schwierig, unsere Kinder vor belastenden Bestandteilen der digitalen Welt zu bewahren. Schon die Festlegung, was für Kinder von welchem Alter an belastend oder gefährdend sein kann, ist sehr schwer. Und viele Inhalte des Internets sind uns selbst unbekannt. Noch dazu reagieren Kinder alle verschieden – zum Glück! – von schüchterner, ängstlicher Zurückhaltung über vorsichtige Neugier bis hin zu unbefangener, bedenkenloser Experimentierfreude.

Wir wollen weder die Neugier ersticken noch das Vertrauen der Kinder in ihr Entdeckerleben erschüttern. Aber Vorsicht ist nötig, strengere Regeln und Achtsamkeit, spätestens nachdem die in vielem fortschrittlichen skandinavischen Länder nach schlechten Erfahrungen ihre umfassende Ausstattung auch der Kleinsten mit digitalen Medien und Bildschirmgeräten zurückfahren (1). Mittlerweile ist auch ein Zusammenhang psychischer Erkrankungen mit dem Medienkonsum nachgewiesen. Zudem fordert eine beachtliche Gruppe deutscher Wissenschaftler und Ärzte ein Moratorium der Ausweitung digitaler Unterrichtsformen (2). Die Wissenschaftler rufen auf, zunächst die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien abzuwarten, damit eine realistische Nutzen- und Gefahrenabwägung die Grundlage für weitere Schritte bietet.

(1+2) Wissenschaftler fordern Moratorium der Digitalisierung in KITAs und Schulen

Alles schon zu spät?

Nun sind in den meisten Familien digitale Geräte längst vorhanden und werden sehr vielfältig genutzt. Wie können wir trotzdem die Kontrolle über die Fremdeinflüsse in einem angemessenen Rahmen halten?

Augen sind die Fenster zur Seele. Kleine Kinder haben noch gar keine Worte für das Erlebte und Gesehene, also auch keine Werkzeuge, Überwältigungen zu verarbeiten. Und wie leicht treffen sie auf Eindrücke, die ihre Gefühle und Empfindungen schwer belasten können…!

Dazu der Bann, in den sie geschlagen werden: Haben Sie Ihre Kinder mal beobachtet schon nach einer halben Stunde Fernsehen? Auch wenn es nur die Sendung mit der Maus war – nach dem Ausschalten wirkt es, als wäre eine Erstarrung gelöst worden, oft bersten sie förmlich vor Energie und Bewegungsdrang. Was, wenn Kinder damit alleingelassen sind? Wenn sie unkontrolliert weiterdaddeln? Wohin mit der aufgestauten Energie?

Es ist erwiesen, dass dieser Spannungsstau, zumal bei übermäßigem Medienkonsum, zu Aggressivität und Gewaltphantasien führen kann, die durch gewalthaltige Videospiele gesteigert werden und in eine unkontrollierbare Verstärkung münden können. Zudem werden in sozialen Netzwerken nicht nur harmlose nette Videos geteilt, sondern zunehmend entsetzliche Bilder und Inhalte widerlichster brutalster Sorte. Sie und auch gewaltverherrlichende Spiele sorgen dafür, dass die Seele immer mehr abstumpft, schon bei Erwachsenen (bekanntes Mittel bei der Ausbildung von Kampfeinheiten). Eigene Gefühllosigkeit und Gewaltbereitschaft sind die Folge. Nicht selten entsteht auch über diese Medien eine Spirale der Mutlosigkeit und Verzweiflung, die in erschreckend häufigen Fällen zu Selbstmordgedanken führt. Es ist ebenfalls erwiesen, dass audiovisuelle Medien ein hohes Suchtpotential haben. Zudem gibt es gerade neue wissenschaftliche Erkenntnisse, dass der verbreitete Bewegungsmangel der Kindergeneration körperliche und geistige Schäden verursacht.

Die sogenannten sozialen Medien verdrängen zudem bei vielen Kindern und Jugendlichen die realen Kontakte. Das kann zu Vereinsamung und psychischen Problemen führen

Vor diesen Gefahren müssen Eltern ihre Kinder schützen – denn nur sie können es.

Die 3er-Regel (1): Faustregel Altersstufen: 3, 6 ,9 ,12, …

Bis zum Alter von drei Jahren sollten Kinder von allen Bildschirmgeräten grundsätzlich ferngehalten werden, einschließlich Tablet und Fernsehen. Diese Geräte, die auf Kinder eine so starke Anziehungskraft ausüben, in einem Schrank dem alltäglichen Blickfeld zu entziehen, hilft Diskussionen vermeiden.

Bis sechs Jahre höchstens eine halbe Stunde Bildschirmzeit pro Tag, nur kleinkindgerechte Inhalte, am besten mit Begleitung durch Erwachsene, die auf die Reaktionen des Kindes achten und darüber mit ihm reden, im Zweifelsfall den Medienkonsum abbrechen.

Bis neun Jahre darf die Bildschirmzeit entwicklungsangemessen gesteigert werden, sollte aber eine bis eineinhalb Stunden pro Tag nicht übersteigen. Auch in diesem Alter ist eine kritische, sorgsame Begleitung des Kindes nötig.

Bis zwölf Jahre kann eine gezielte Auswahl an filmischen Inhalten und kindgerechten Bildschirmlernprogrammen und -spielen sinnvoll sein. Es sollte sichergestellt sein, dass kein unkontrollierter Zugang zum Internet entsteht, das der neugierige und findige Nachwuchs zu gern ohne das Wissen der Eltern entdeckt und erkundet. Die ersten sexuellen Kontakte entstehen bei Kindern mittlerweile in der Regel in dieser Altersstufe, durch Anmache im Internet wie z.B. Cybergrooming und Animation zu Nacktfotos, meist unter Vorspiegelung der Gleichaltrigkeit. Hier gibt es Kontrollsoftware verschiedener Anbieter (s. u.), oft der Gerätehersteller, mit Alarmfunktion auf dem Mobiltelefon der Eltern, sobald die gesetzte Sperre fällt. Eine gründliche Kontrolle durch die Erziehungsberechtigten ist keineswegs ein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre des Kindes, sondern ein unentbehrlicher Schutz. Sinnvoll ist es auch, auf die Zeiten zu achten, zu denen der Nachwuchs surft oder chattet. Falls Zeiten nach Mitternacht vorkommen, sollten alle Geräte über Nacht gesichert werden, um einer Suchtgefahr vorzubeugen. Wenn es kein mobiles Datenvolumen gibt, kann man auch das WLAN abschalten.

Bis mindestens fünfzehn Jahre sollte das eigene Smartphone, das mittlerweile kaum mehr zu vermeiden ist, so konfiguriert sein, dass die Eltern immer noch unverzüglich einschreiten können, falls das Kind auf Gefahrengebiet gerät. Abendliche Gespräche über Erlebnisse und Erfahrungen des Tages sollten ein enges Vertrauensverhältnis sichern, so dass die Kinder sich mit verdächtigen und/oder übergriffigen Inhalten den Eltern anvertrauen und Hilfe erhalten. Nächtliche Chats sollten immer als Alarmzeichen gedeutet werden!

(1) Sana-Kliniken: „3-6-9-12-Regel“; „Schau hin“

Wir Eltern sind Vorbild auf Schritt und Tritt. Was wir selbst unseren Kindern vorleben, wird die von uns gesetzten Regeln glaubwürdig machen. Erweiterte Informationen finden Sie im Leitfaden „Internetkompetenz für Eltern“

Wertvolle Links zu Schutzprogrammen (z. B. zu den in Apple- und Android-Geräten verbauten Sperrmöglichkeiten, mit denen man zumindest die groben Sachen sperren kann):

Gefährliche Spiele-Apps für Kinder

Die Stiftung Warentest hat im Frühjahr 2024 Spiele-Apps getestet, die auch für Kinder zugelassen sind. Darin fanden sich erschreckende Inhalte: „reihenweise“ Hassbotschaften, Sexszenen und Amokläufe!

Unter 16 Spielen fand sich nur eines, das Kinder in Begleitung Erwachsener bedenkenlos spielen könnten. In den übrigen gab es grausige Monster, faschistische und antisemitische Nutzer- oder Gruppennamen oder drastische Sexszenen. In einem Spiel wurde ein Amoklauf aus der Täterperspektive nachgespielt – die Freigabe ab 12 Jahren (!) können auch Jüngere problemlos überwinden!

Bei Online-Spielen kommen weitere Gefahren hinzu: Die Spiele sind gezielt manipulativ aufgebaut und verleiten Kinder dazu, immer mehr zu spielen und zusätzliche Teilfunktionen, Figuren oder sonstiges Zubehör dazuzukaufen, für Beträge im Cent-Bereich, die sich in der Masse und sich steigernder Häufigkeit aber oft auf beträchtliche Summen addieren. Im Spiel gibt es Belohnungen in Form von Punkten, Medaillen oder ähnlichen Auszeichnungen für tägliches Spielen, die Schwierigkeitsgrade und Anforderungen steigen. Zudem werden soziale Verpflichtungen gegenüber Mitspielenden und ein Wetteifern erzeugt. Die Kinder erhalten immer wieder Aufforderungen, zu bestimmten Zeiten am Smartphone zu sitzen. Diese gezielten Manipulationen, denen schon viele Erwachsene kaum widerstehen können, verstärken die Abhängigkeit und erzeugen Suchtgefahr.

  Spiele-Apps für Kinder im Test