Andrea Heck
Vorsitzende Elternverein NRW e.V.
Das neue IQB Länderranking der Grundschüler ist interessant. Die Studie zeigt, dass sich die Kernkompetenzen der Schüler in den letzten fünf Jahren verschlechtert haben. In fast allen Ländern erreichen rund ein Fünftel der Viertklässler nicht den Mindeststandard beim Lesen, in der Mathematik, in der Orthographie und im Hörverständnis. Der Grund dafür ist nicht nur die Pandemie. Die Bemühungen in der Bildungspolitik der letzten Jahre, Kinder so früh wie möglich in Bildungseinrichtungen abzugeben, die „Schule für alle“, die Abschaffung des Leistungsprinzips und die Einführung von Kernkompetenzen bei weniger Wissen sowie verkürzte Lehrpläne haben dafür gesorgt, dass Kinder in diesem Land weniger lernen.
Was ist also unser Erziehungsauftrag? Egal wie alt unsere Kinder sind, wir Eltern tragen in der Erziehung unserer Kinder immer die Verantwortung. Die Institution Schule kann uns diesen Auftrag nicht abnehmen.
Wir wollen, dass unsere Kinder ein gelungenes, zufriedenes Leben haben, dass sie den Bildungsweg möglichst reibungslos bestreiten, dass sie Verantwortung für das eigene Leben übernehmen und eventuell in Zukunft für die eigene Familie. Was brauchen unsere Kinder, um das zu erreichen, und was müssen wir als Eltern tun?
Eine gute Bindung
Beziehung ist der entscheidende Faktor in der Erziehung. Kinder können nur gut von Menschen lernen, an die sie gebunden sind. Die Effizienz des Schulsystems sinkt zum Teil, weil nicht jedes Kind eine ausreichende Bindung erfährt, um gut lernen zu können. Dadurch wird die Erziehung schwieriger und mehr Lehrer leiden unter einem „Burnout”. Moritz Nestor (Philosoph und Psychotherapeut aus der Schweiz) sagt: „Eine gute Eltern/Kind-Bindung ist eine Voraussetzung für die Reifung der Persönlichkeit: Liebende Eltern pflanzen Kindern ein positives Bild des Menschen ein“. Die Eltern schaffen das „Urvertrauen” des Kindes. Das gut gebundene Kind wächst mit einer positiven Grundhaltung auf und gewinnt Selbstbewusstsein. Es fühlt sich wertgeschätzt und sicher. Man weiß, dass die emotionale Stabilität der Kinder sehr viel mit dem zu tun hat, was das Kind früh von zuhause mitbekommen hat!
Kinder lernen in den ersten 5 bis 6 Lebensjahren über 90% des gesamten Erlernten, indem sie sehen und ertasten bzw. begreifen, wie die Welt funktioniert. In diesem wichtigen Lebensabschnitt erfolgt das Lernen immer im Kontext von Familie und Bezugspersonen (Menschen, die das Kind begleiten). Deshalb ist es so wichtig, mit unseren Kindern viel Zeit zu verbringen!
Die Erziehung als Frage von Mündigkeit, Humanität und Kultur verschwindet. (J. Krautz)
Eltern, die zu wenig Zeit mit ihren Kindern verbringen, finden oft keinen emotionalen Zugang zu ihren Kindern. Dadurch fühlen sich Eltern überfordert, weil sie das Kind zu wenig unterstützen können. Die Eltern lernen nicht richtig, die Signale ihres Kindes, das sich weiterentwickelt, zu erkennen, und sind unter Umständen nicht in der Lage, diese zeitnah zu entschlüsseln. In der Folge kommt es häufig zu gereizten und widersprüchlichen Reaktionen der Eltern, und wo Eltern und Kind gestresst sind, leidet auch die Ehe.
Klar brauchen Eltern zur Unterstützung eine gute Betreuung für ihre Kinder. Fraglich ist aber, ob die Kitas, die zu „Bildungseinrichtungen“ erklärt werden, die Lösung für Kinder zwischen 0 und 3 sind. Kontinuierliche Beziehungen sind hier nur schwer herzustellen, da das Personal überwiegend in Teilzeit tätig und daher nur wechselnd anwesend ist. In Frankreich, dem „Ideal-Land“ der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, geht nur jedes 10. Kind in eine Krippe; drei Viertel der Kinder werden von ihren Eltern, Verwandten oder Tagesmüttern betreut; das „Krippenland“ Schweden bezahlt Eltern, die ihre Kinder bis zum dritten Lebensjahr zu Hause betreuen.
Wenn Eltern präsent sind und Kinder das Gefühl haben, dass sie nicht allein gelassen werden oder Aufgaben übernehmen müssen, die sie überfordern, können sie besser lernen.
Förderung der emotionalen Intelligenz
Es gibt im Prinzip zwei Aufgaben, die wir als Eltern (auch während der Pubertät) wahrnehmen sollten: Die Willensbildung und die Herzensbildung unserer Kinder.
Als Eltern sollen wir unsere Kinder ermutigen, Gefühle auszudrücken und zu zeigen. Umarmen Sie Ihr Kind jeden Tag! Keiner geht ins Bett, ohne vorher um Vergebung zu bitten, falls es Streit in der Familie gab. Das ist auch die beste Vorbereitung für die Ehe. Geben Sie ein gutes Beispiel, ermahnen Sie mit Liebe, seien Sie mitfühlend, konsequent und gerecht. Haben Sie keine Angst davor, Grenzen zu setzen, und – wenn Sie beten können – beten Sie für Ihre Kinder!
Liebe als Voraussetzung
Wir Eltern haben eine besondere Verantwortung für die weltanschauliche und ethische Erziehung unserer Kinder, die Lehrer und Erzieher nicht haben und auch nur bedingt erfüllen können.
Ein Kind stellt irgendwann das Wertesystem der Eltern infrage. Wo will ich eigentlich hin? Vertrete ich dieselbe Meinung? Finde ich die Religion meiner Eltern gut? Diese kritischen Fragestellungen helfen unseren Kindern, ihre eigene Urteilsfähigkeit und Reife zu erlangen.
Sie brauchen ein Weltbild, das auf Wahrheiten gegründet ist. Und nicht eines, in dem alles beliebig und relativ ist. Sie sollen Sinn, Freiheit und Verantwortung als innere Quellen wahrnehmen können.
Werteerziehung muss wieder Priorität bekommen. Emotionale Intelligenz ist mehr gefragt denn je. Das ist der Vorsprung gegenüber der Technologie. Bindung und Verbundenheit bilden die Grundlage einer reifen Persönlichkeit und emotionaler Gesundheit. Lassen Sie uns weiterhin gemeinsam und selbstbewusst an einem gesunden, stabilen Bild der Familie in ihrer ganzen Strahlkraft und tiefen Schönheit arbeiten.
Das Glück der Eltern ist das Glück der Kinder!
Foto oben: © OleksandrPidvalnyi | Pixabay